MARTIN WOLF

Martin Wolf in seinem Atelier. Foto: H-J Schröder

„Das visuelle Denken nähert sich dem unbewußten Vorgang mehr als das verbale Denken, es ist älter als dieses.“ (Sigmund Freud)

Martin Wolf, Jahrgang 1964, absolvierte an der Freien Universität Berlin ein Studium der Medienwissenschaften, Psychologie und promovierte im Fachbereich Soziologie. Dazu studierte er an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg Kunstgeschichte und Malerei.
Seine Neigung zum Realismus als Malstil entwickelte er in den 80er Jahren als Gasthörer bei Zeichenkursen an der Hochschule der Künste in Berlin. Dabei haben berühmte Vertreter des amerikanischen, niederländischen, französischen wie deutschen Realismus seine Sichtweise mitgeprägt. Martin Wolf gelingt es, nicht nur mittels eigener spezifischer Maltechniken seinen Bildern eine individuelle Note zu verleihen. Seinen Malstil bezeichnet er als „Atmosphärischen Realismus“.

Beruflich war er als Dozent an mehreren Fachhochschulen in Mannheim und Heidelberg, insbesondere an der Hochschule für Technik und Gestaltung in Mannheim, sowie als Analyst bei einer Bank tätig. Seit 2011 ist Martin Wolf als Maler aktiv. Im Zeitalter der Globalisierung sucht er seine Motive sowohl in der Heimat als auch im europäischen wie außereuropäischen Ausland.

Stadtlandschaften / Stadtportraits

Das Themenfeld „Stadtlandschaften“  zeigt Ausschnitte des Konstrukts „Stadt“. Die „Industriearchitektur in Mannheim“ erscheint im Aquarell von 2015 als ein Gefüge aus Vertikalen und Horizontalen.

Industriearchitektur in Mannheim, 2015. Aquarell auf Papier, 65 x 50 cm. Foto: M. Wolf.

Der Betrachter sieht auf die Fassade eines Industriegebäudes, die mit Rohren und Metallgerüsten überzogen ist. Ein gleißendes Licht verursacht scharf definierte Schatten auf dem Betonplatz. Alles ist klar umrissen und vermittelt eine gewisse Ordnung im Sinne  von Kontrolle.
Die Stadt ist der vom Menschen gemachte Lebensraum, der hier fern aller Natürlichkeit erscheint. Die Industrie gewährleistet den Fortschritt des Menschen als Mängelwesen, der seine von Natur aus gegebenen Unzulänglichkeiten auf diese Weise ausgleicht.

Weitere Werke des Themenkomplexes „Stadtlandschaften“ wie „Die Hängebrücke in Ludwigshafen“   (2014),  „Mannheimer   Skyline“  (2012),  „Marseille“  (2017),  „Neckarauer Straße  in Mannheim“ (2014), „NYC Manhattan – Müllwagen bei Nacht“ (2012) sowie „Paris Boulogne, Passantin“ (2012) beschäftigen sich ebenfalls mit dem künstlich geschaffenen Lebensraum des Menschen. Stets ist die Stadt ein Konstrukt aus Linien und Flächen, ein Ort der Technik und Industrie und eine naturferne Umgebung, in der der Mensch oft einsam erscheint.
Die akribische Darstellungsweise Martin Wolfs und das inszenierte Licht unterstreichen die Künstlichkeit innerhalb dieser Werke. Es wird eine Leere und Einsamkeit vermittelt, die typisch für die in modernen Großstädten herrschende Anonymität ist.

An diese Isolation innerhalb großer Städte knüpft auch das Themenfeld „Stadtportraits“ an.  „Junge in Metro Paris“ (2012), „Pärchen in Metro Paris“ (2012), „Paris Boulogne – Häuserfassaden“  (2013), „Universitätscafé  Mannheim“  (2012) und  „Universitätsbibliothek Mannheim“  (2012) beschäftigen  sich ebenfalls mit  der Einsamkeit, die man innerhalb der Gemeinschaft empfinden kann.

Kultur und Technik

Die Aquarelle „Musée du Louvre –  La  Gioconda“  aus  dem  Jahr 2014 und „Griechenland – Delphi“ von 2017 greifen das Thema „Kultur und Technik“ auf und beschreiben die Diskrepanz, die sich daraus ergeben kann.

Musée du Louvre, La Gioconda, 2014. Aquarell auf Papier, 50 x 65 cm. Foto: M. Wolf.

Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ lächelt unbeirrt von ihrem angestammten Platz im Musée du Louvre, während eine Menge von Besuchern sich vor dem berühmten  Gemälde  scharrt. Alle machen  Abbilder mit Handys und Tablets. Die Doppeldeutigkeit des Bildes als Abbild und Bildnis wird ins Zentrum gerückt. 
Was steht hier im Vordergrund? Das Bildnis der Ehefrau Francescos del Giocondo oder die Abbildung des weltweit bekannten Gemäldes?

Darüber hinaus wird der Begriff der Kultur hinterfragt. Sie steht als das vom Menschen Gestaltete der Natur gegenüber. Wie gehen wir mit Kultur um? Wie betrachten wir beispielsweise Kunst? Hier tritt die Technik an die Stelle der natürlichen Wahrnehmung und führt unsere Art der Rezeption ad absurdum. Die Menschenmenge steht der einzigartigen „Gioconda“ antithetisch gegenüber. Die Besonderheit des Portraits verdeutlicht das Bestreben des Menschen, sich darzustellen, abzubilden und für die Nachwelt zu erhalten.
Martin  Wolf hat  einen  kritischen Blick auf alltägliche Situationen.  Er hinterfragt sie und fächert sie in viele Schichten auf, sodass der Betrachter nicht umhin kommt, seine Umwelt und sich selbst zu hinterfragen.

Griechenland, Delphi, 2017. Aquarell auf Papier, 50 x 65 cm. Foto: M. Wolf.

Natur und Technik

Ein weiteres Werk aus dem Themenfeld  „Natur  und Technik“ ist die Darstellung des herbstlichen Waldes in der Pfalz von 2015. Über einen sich windenden Pfad wird  der  Betrachter in  den lichten Wald förmlich hineingesogen. Rechts und links vom Weg erstreckt sich ein verworrenes Netz aus Ästen und Baumstämmen. Der Betrachter wird mit einer unsichtbaren Grenze konfrontiert: Am Verkehrsschild   „Durchfahrt  für Motorräder  und Autos verboten“ betritt er als ein Wesen ohne motorisierte Hilfsmittel den natürlichen  Raum und ist auf sich gestellt. Das Schild droht zu kippen und in seiner Umgebung unterzugehen.

Herbstwald in der Pfalz, 2015. Aquarell auf Papier 50 x 65 cm. Foto: M. Wolf

Detailliert und akribisch genau, aber nicht photographisch getreu, scheint hier die Realität lebensecht dargestellt zu werden.  Die Bildwirklichkeit wird gefühlt und  gedanklich erarbeitet, bevor Martin Wolf sie auf dem Büttenpapier festhält. Damit ist sie nicht mit der tatsächlichen Wirklichkeit  gleichzusetzen. Die Atmosphäre spielt eine große Rolle und so wird die Komposition nicht zuletzt von der Lichtführung getragen. Dies schlägt sich in einer selektiven Farbwahl nieder, die aus zurückhaltenden Farbtönen besteht. Die Farbpalette bedient sich eines Kanons, der eigens für die jeweilige Stimmung zusammengestellt wird.

Weitere Werke des Themenkomplexes „Natur und Technik“ sind „Autoschrott in Südfrankreich“ (2014), „LKW auf Porquerolles“ (2014), „Rheinüberschwemmung in Mannheim“  (2015),  „Südfrankreich  –  Vernetzungen  I“  (2015)  sowie „Südfrankreich  – Vernetzungen II“ (2015).

Text: Anastasia Schmidt M.A.

LKW auf Porquerolles, 2014. Aquarell auf Papier, 50 x 65 cm. Foto: M. Wolf.
Autoschrott in Südfrankreich, 2014. Aquarell auf Papier, 50 x 65 cm. Foto: M. Wolf.

Ausstellungen

2023
Einzelausstellung Galerie Eva-Wolf-Schliesser, Mannheim

2019
Einzelausstellung Galerie Eva-Wolf-Schliesser, Mannheim

2017/2018
Einzelausstellung Praxis Dr. Ebensberger, Heidelberg

2017
Einzelausstellung Galerie Eva-Wolf-Schliesser, Mannheim

2014
Einzelausstellung Galerie Schillerstrasse, Heidelberg

2013
Einzelausstellung Galerie Schillerstrasse, Heidelberg