GEMÄLDEZYKLUS „HOPFENLANDSCHAFTEN“

Hopfenlandschaft, 1989. Aquarell auf Papier, 30 x 40 cm. Foto: M. Wolf.

Sanfte Hügel, verspannt von meterhohen Holzpfählen und Draht, im Sommer begrünt durch Ranken und Dolden, dazwischen alte Feldwege – das beschreibt die Hopfenlandschaft der Hallertau.

Im größten Hopfenanbaugebiet der Welt wird seit Jahrhunderten der Hopfen kultiviert. Bis heute prägt die Pflanze sowohl das Landschaftsbild als auch die Identität und Kultur der dort lebenden Menschen.

Für Eva Wolf-Schliesser stellt die Hopfenlandschaft mit ihren jahreszeitbedingt unterschiedlichen Vegetationsphasen und mannigfaltigen Lichtstimmungen eine fast nicht versiegende Quelle an Bildmotiven dar: „Die Hopfenstangen stehen kahl auf dem Hopfenfeld, wenn im Herbst und Winter der Schnee, die Kälte und der Wind ihre Nachbarn sind. Sie werden im Frühjahr und im Sommer nach und nach von der Hopfenpflanze überwuchert. Sonne und Regen begünstigen das Wachstum dieser Schlingpflanze.“

Weit über 100 Aquarelle und Ölgemälde umfasst der Hopfenzyklus von Eva Wolf-Schliesser. Noch kein Künstler hat dieses Sujet zum Gegenstand der Kunst gemacht.

Die Darstellungen ihrer Hopfenbilder sind keine bloßen Heimatimpressionen, sondern visualisieren auf einer Metaebene die intensive Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Verhältnis zwischen Natur und Technik einerseits sowie Kultur und Natur andererseits.

Eva Wolf-Schliesser wirft Fragen über den ewigen Kampf zwischen Mensch und Natur um Lebensraum auf: Beherrscht die Schlingpflanze die Erde, das Tier und den Menschen und raubt deren Lebensgrundlage? Oder umgekehrt – wird die Natur von der Technik der Hopfenwirtschaft kultiviert? In Betrachtung der Hopfenlandschaften von Eva Wolf-Schliesser mag sich der Blick zunächst in den ästhetisch reizvollen Bildern verlieren.

Die Landschaften reichen von naturalistischen Stimmungsreduktionen bis zu abstrakten Impressionen des Motivs und zeigen ein facettenreiches Farbspektrum. Die expressive und variationsreiche Farbgebung verleihen dem Motiv intensiv wirkende Stimmungen, in die der Betrachter kaleidoskopisch abtaucht und die Wunderwelt des Hopfens entdeckt. Wieder aufgetaucht ist der Betrachter mit einer weiteren Rezeptionsebene konfrontiert, wenn er entscheiden muss: Natur oder Technik? Bei Eva Wolf-Schliesser gehen die beiden Antagonismen eine Symbiose ein.

Die Gegenüberstellung der Grundthemen „Natur und Technik“ verweist auch auf die kunstphilosophische Auseinandersetzung Eva Wolf-Schliessers mit der Wirklichkeitskonstruktion von Wahrnehmung. Im Zusammenspiel mit ihrer naturalistischen bis abstrakten Bildsprache und ihrer expressionistischen Farbkomposition besteht eine offene Rezeptionsstruktur, welche Raum für viele  individuelle Wahrnehmungsmöglichkeiten in der Betrachtung schafft: „Bezieht man noch die Lichtverhältnisse des Tagesverlaufes mit ein, wie beispielsweise der violett-rote Sonnenaufgang, das gleißende Licht des Mittags, die milchige Abenddämmerung, die Dunkelheit der Nacht, so zeigt der Hopfengarten eine subtile Farbpalette. Die Summe aller Farben […] machen den Hopfengarten zu einem Ausdruckskörper, der viele Möglichkeiten der Aussagen zulässt.“

Das Spannungsfeld zwischen Natur und Technik wird in den Werken von Eva Wolf-Schliesser durch einen weiteren Aspekt verdeutlicht: Die vielen Hopfenstangen und Drahtverspannungen prägen die Künstlerin in ihrer künstlerischen Sprache so sehr, dass sich deren geometrische Formarrangements als formale und kompositorische Grundstruktur wie ein roter Faden durch ihren Hopfenzyklus zieht: „Wenn der Leitdraht gespannt, das Feld geackert und der Hopfenstock ausgeputzt ist, treibt die Hopfenpflanze nach oben und züngelt sich am Leitdraht hoch. Ein Gelbgrün wickelt sich über das Rostrot des Drahtes. Der Hopfen wächst und wächst, ein geordnetes Chaos von verschiedenen Grün-, Rot- und Gelbtönen verbindet sich zu einem lebendigen Naturkörper.“

Im Kontext dazu haben die Hopfenlandschaften auch eine transzendente und irrationale Konnotation: „Unter dem Blau des Himmels oder dem Gelb der Sonne oder dem Grau des Regens ruht die Hopfenpflanze auf den Säulen des Gerüsttempels.“

Text: Lena Berkler, M.A.